Institut für Wirtschafts- und Kulturgeographie Forschung Forschungsprojekte
Wege zur Nachhaltigkeit durch Advanced Frugal Innovation: Innovationsentstehung und -skalierung bei Ressourcenarmut (AFRIN)

Wege zur Nachhaltigkeit durch Advanced Frugal Innovation: Innovationsentstehung und -skalierung bei Ressourcenarmut (AFRIN)

Leitung:  Prof. Dr. Ingo Liefner (PI, LUH); Prof. Dr. Balkrishna C. Rao (Co-PI, IITM); Prof. Dr. Sara Grobbelaar (Co-PI, SU)
Team:  Leon Worbs; Steffen Bauerochse (LUH); Fisiwe Hlophe (SU); Carlton Matingo (SU)
Jahr:  2024
Förderung:  Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
Laufzeit:  2024 - 2027

Zusammenfassung

Advanced Frugal Innovation (AFI) sind Innovationen, die gleichzeitig einen ökologischen und einen sozialen Nutzen aufweisen, weil sie durch ihr spezifisches Design weniger Materialien verwenden und wesentliche Preisvorteile gegenüber etablierten Produkten mit ähnlichen Kernfunktionen aufweisen. Aufgrund dieser Eigenschaften können sie entscheidend dazu beitragen, die notwendige Nachhaltigkeitstransition der Wirtschaft zu beschleunigen. AFI entstehen überwiegend in Räumen, die von Ressourcenarmut geprägt sind, und bleiben als effiziente, kostengünstige und nachhaltige Lösung überwiegend auf ihren lokalen Heimatmarkt begrenzt. Es bleibt unklar, unter welchen konkreten Bedingungen die Entstehung von AFI sowie deren nachfolgende Skalierung für eine überregionale Diffusion begünstigt wird.

Das Forschungsprojekt „Wege zur Nachhaltigkeit durch Advanced Frugal Innovation: Innovationsentstehung und –skalierung bei Ressourcenarmut“ (Akronym: AFRIN) möchte untersuchen, inwiefern lokales kontextgebundenes Wissen aus ressourcenarmen Regionen die Entstehung von AFI beeinflusst und welche Faktoren die Skalierung und damit einhergehende überregionale Diffusion von AFI ermöglichen. Als Fallbeispielregionen, in denen überdurchschnittlich viele AFI erzeugt werden, dienen die Region Tamil Nadu in Indien sowie das Western Cape in Südafrika.
 

Hintergrund zum Projekt

AFI sind Innovationen, die auf Grundlage eines frugalen Produktdesigns, - also eines kostensparenden, auf Kernfunktionen reduzierten und eine Kreislaufwirtschaft tendenziell begünstigenden Designs, - unter Berücksichtigung höchster technischer Standards die höchstmögliche Einsparung an Material und Energie im Produkt und entlang des gesamten Produktionsprozesses und Produktlebenszyklus erzielen. Durch eine Minimierung des Ressourceneinsatzes weisen AFI einen geringeren ökologischen Fußabdruck auf als konventionelle Produkte und sind gleichzeitig in Bezug auf Erwerb, Nutzung und Entsorgung preiswerter. Damit vereinen sie sowohl Eigenschaften von Öko-/Umweltinnovationen als auch von Sozialen/Inklusiven Innovationen. Angesichts von weltweit begrenzten Ressourcen, erwartbarem Bevölkerungswachstum und steigenden Konsumansprüchen insbesondere in den Emerging Markets bieten AFI das Potenzial, mittels ihrer beschriebenen Eigenschaften Wege zur Nachhaltigkeit in verschiedensten Branchen zu ermöglichen. Dies würde theoretisch dann gelingen, wenn AFI aus ihrem beschriebenen Entstehungskontext heraus in einem großen Maßstab hergestellt (skaliert) werden und dadurch konventionelle, preisintensivere, umweltschädlichere und überdesignte Produkte sowohl in sich entwickelnden als auch in etablierten Märkten verdrängen können.

Die Entstehung von AFI ist an konkrete räumliche Voraussetzungen gebunden. Auf der einen Seite setzen AFI eine technische Kompetenz heraus, die in weniger wohlhabenden Ländern auf wenige leistungsfähige Unternehmen, Forschungs- und Lehreinrichtungen und somit auch räumlich konzentriert ist; auf der anderen Seite setzt die Erzeugung von AFI Wissen um die Bedürfnisse von Konsumierenden mit geringer Kaufkraft und von Wissen um sinnvolle Produktvereinfachungsmechanismen voraus. Da sich Ressourcenarmut als maßgeblicher Einflussfaktor der AFI-Erzeugung aus unterschiedlichen Hintergründen (u.a. institutionell, historisch, politisch, wirtschaftsstrukturell) heraus einordnen lässt, sind auch die daraus entstehenden Kompetenzen hochgradig ortsgebunden.

Obwohl AFI Lösungen für lokale Probleme hinsichtlich des Materialeinsatzes und der Erschwinglichkeit des Produkts anbieten und erfolgreich sind, gelingt ihnen eine überregionale Etablierung aus dem ortsspezifischen Kontext heraus nur in seltenen Fällen. Die Ursachen für dieses Phänomen sind nicht ausreichend erforscht und deshalb nicht empirisch gesichert.
 

Ziele des Projekts

AFRIN möchte einen theoretisch fundierten empirischen Beitrag dazu leisten, die Erfolgsbedingungen der Entstehung und Skalierung von AFI aus räumlicher Perspektive zu verstehen. Hierfür verfolgt das Projekt zwei zentrale Ziele:

  1. Erfassen, in welcher Weise und in welchem Maße lokales kontextgebundenes Wissen – resultierend aus Ressourcenknappheit – in die Entstehung von AFI einfließt. Von besonderem Interesse ist hierbei, in welchem Maße AFI von regionalen kontextgebundenen Wissensressourcen geprägt sind, welche Akteure dieses Wissen in welchem Umfang bei der Entstehung von AFI einbringen, wie lokale Nachfragebedingungen und Problemlagen auf die Entstehung von AFI einwirken und zuletzt welchen Einfluss lokalspezifische Institutionen in diesem Prozess einnehmen.
  2. Analysieren, welche Faktoren die Skalierung von AFI ermöglichen und damit den diffusionsrelevanten Anwendungskontext darstellen. Das ist deshalb von hoher Relevanz, weil eine Skalierung der entscheidende Erfolgsparameter dafür ist, ob eine AFI sich überregional durchsetzt oder in der lokalen Nische verbleibt. Hierfür wird erfasst, welche Akteure ihre Wissensressourcen einbringen, um die lokale Kontextbindung von AFI zu verringern und anwendungsförderliche Adaptionen vorzunehmen, welche Akteure zum Zeitpunkt einer Produktions- und Vertriebsausweitung involviert werden, wie sich der überregionale Markt einer AFI im Detail ausgestaltet und wie sich institutionelle Mechanismen wie Standardisierung, Prüfung und Zertifizierung auf die Skalierung auswirken.
     

Forschungsprogramm

Die Entstehungs- und Anwendungsbedingungen von AFI werden ausgehend von den Innovationen selbst erforscht (Object Approach). Zur Entwicklung einer vergleichenden Perspektive werden drei methodische Bausteine verwendet:

  1. eine Zusammenstellung und Analyse von Sekundärdaten,
  2. eine teilstandardisierte Befragung zur Erfassung von Entstehungs- und Anwendungskontext sowie
  3. einige vertiefende Interviews.

Die Auswertung der erfassten Daten rundet das Forschungsprogramm ab (s. Abbildung). Um generelle Einflussfaktoren der Entstehung und Skalierung von AFI von regionsspezifischen und akteursspezifischen Parametern trennen zu können, werden Untersuchungsregionen in zwei Staaten verglichen. Hervorragend eignet sich hierbei zunächst einmal Indien, weil von dort der Begriff der frugalen Innovation und zentrale Überlegungen zu AFI vorgedacht und entwickelt wurden. Als nicht-asiatisches Forschungspendant dient Südafrika, wo langjährige Erfahrungen mit der Förderung und Generierung von inklusiven Innovationen bestehen und wo sich der Begriff der AFI zunehmend durchsetzt.

Das AFRIN-Forschungsprogramm

In Indien gilt die Region Tamil Nadu als durch ihre Eigenschaft als Innovations- und Industriezentrum Indiens als primäre Untersuchungsregion. Die Erhebung und Auswertung wird maßgeblich von der Arbeitsgruppe des Kooperationspartner Prof. Dr. Balkrishna C. Rao vom Department of Engineering Design des renommierten Indian Institute of Technology Madras (IITM, Chennai, Tamil Nadu) unterstützt. Als sekundäre Untersuchungsregion wird Mumbai/Maharashtra in den Blick genommen.

In Südafrika ist die primäre Untersuchungsregion das Western Cape, welche im Hinblick auf Kaufkraft und Innovationsorientierung Ähnlichkeiten mit Tamil Nadu aufweist und darüber hinaus diverse historische, ethnische, wirtschaftsstrukturelle und sozialstrukturelle Gemeinsamkeiten aufweisen. In dieser Region wird die Erhebung und Auswertung maßgeblich von der Arbeitsgruppe der Kooperationspartnerin Prof. Dr. Sara Grobbelaar vom Department of Industrial Engineering der Stellenbosch University (SU, Stellenbosch, Western Cape). Die sekundäre Untersuchungsregion ist der Raum Pretoria/Gauteng.
 

Zusammenarbeit

Das Forschungsprojekt stellt eine Kooperation des Instituts für Wirtschafts- und Kulturgeographie (IWKG) der Leibniz Universität Hannover mit dem Department of Engineering Design des Indian Institut of Technology Madras (IITM, Indien) und dem Department of Industrial Engineering der Stellenbosch University (SU, Südafrika) dar und wird gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Als sekundäre Partnereinrichtungen fungieren das Tata Centre of Technology and Design des Indian Institute of Technology Bombay in Mumbai (IITB, Indien) sowie die University of Pretoria (UP, Südafrika). Gemeinsam mit den Forschungspartnern werden Daten ausgewertet, Fragebögen entwickelt, Interviews konzipiert und vor Ort durchgeführt. Im Zuge des Projekts werden zwei Workshops in Hannover abgehalten, in welchen zunächst das methodische Vorgehen für die geplanten Erhebungsphasen und später die erzielten Ergebnisse und deren geeigneten Auswertungsmethoden diskutiert werden. Sowohl IITM als auch SU werden ebenfalls jeweils Promotionsstudierende ihrer Institute für einen ausgewählten Zeitraum zum IWKG entsenden, um am gemeinsamen Forschungsprojekt zu arbeiten und den gegenseitigen Austausch zu intensivieren.

Leibniz Universität Hannover

INSTITUT FÜR WIRTSCHAFTS- UND KULTURGEOGRAPHIE

Indian Institute of Technology Madras

DEPARTMENT OF ENGINEERING DESIGN

Stellenbosch University

DEPARTMENT OF INDUSTRIAL ENGINEERING

Kontakt

Leon Worbs, M.A.
Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Adresse
Schneiderberg 50
30167 Hannover
Gebäude
Raum
229
Leon Worbs, M.A.
Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
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30167 Hannover
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